"Entschuldigen Sie, Herr Bürgerverein..."
Als ich noch klein war und in die Schule ging, war diese Redewendung in
meinem Elternhaus, in dem ich mit meinen Eltern, einem Bruder und
unserem Großvater zusammenlebte ihm wahrsten Sinne ein „geflügeltes
Wort". Immer, wenn man jemandem zunahe getreten war oder ihm auf den
Schlips getreten hatte, hieß es „entschuldigen Sie, Herr Bürgerverein!"
Das hat sich so tief eingegraben, dass es mir manchmal heute noch
herausrutscht. |
Wie entsteht so eine Redensart? Mein Großvater, Arthur
Plesser, gehörte 1926 zu den Gründungsmitgliedern des „Bürgervereins
der Südweststadt" und wurde am 17.2.1926 auf der Gründungsversammlung
im „Tannenkrug" an der Steinbecker Str. zu dessen erstem Vorsitzenden
gewählt. Dieses Amt hat er bis zur Auflösung des Vereins im 3. Reich,
worüber genaue Aufzeichnungen fehlen, wahrgenommen. Er hat sich wohl
derartig mit dieser Aufgabe identifiziert, dass aus dem Herrn Lehrer
Plesser eben der „Herr Bürgerverein" wurde. Da er von Hause aus ein
streitbarer Mann war, gab es
sicher auch immer wieder Gelegenheiten, um Entschuldigung zu bitten.
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Als ich 1948 im Herbst aus Kriegsgefangenschaft zurückkehrte, hat mir
mein Großvater immer wieder von seiner Zeit als
Vorsitzender des Bürgervereins,
erzählt, ganz besonders natürlich von den Erfolgen dieser
Vereinsarbeit: Durchbau der Ravensbergerstraße von Friedrichsallee bis
Küllenhahn (Dürrweg) Gestaltung des Klever Platzes von einen Dreckloch
zu einem kleinen Park. Verbesserung der Straßenbahn- und
Omnibus-Anbindungen. Zustand und Pflege der Bürgersteige usw. usw....
Aber auch von den ewigen Streitpunkten:
Unsicherheit auf den Straßen, nicht nur für Frauen und Mädchen, oder in
der Parkanlage Friedrichsberg. Mangelnde Überwachung durch die Polizei.
Verschmutzung von Straßen, Bürgersteigen und Wegen. Fehlende
Spielplätze für die Kinder bei zunehmendem Verkehr (!) Bitten um
Öffnung von Schulhöfen in der Brandenburgerstr. und Neviandtstr. zum Spielen.
Strandbad in Ostersiepen, ja oder nein, oder Naturschutz für dieses Gebiet.
Nach dem Kriege ist der Südweststädter Bürgerverein nicht wieder
auferstanden, vielleicht weil "Herr Bürgerverein" inzwischen die 75
überschritten hatte und außerdem nach dem Niederbrennen des Hauses
Ravensbergerstraße 158, das er für einen Neffen in den USA verwaltete,
in der Brillerstraße Unterschlupf gefunden hatte. 1926 war der
Südweststädter Bürgerverein mit 278 Mitgliedern einer der stärksten im
Tal. Ebenso wie der Bürgerverein des südöstlichen Stadtteils, mit dem
Gründungsjahr 1877 einer der ältesten, ist er nach dem Kriege mit dem
Bürgerverein der äußeren Südstadt, dessen Jubiläum wir in diesem
Jahr feiern, unter dem Dach "Bürgerverein der Elberfelder Südstadt
e.V." vereinigt worden und seit Jahren im Vorstand vertreten.
Als Arthur Plesser den Südweststädter Bürgerverein mit Gleichgesinnten
gründete war er ca. 50 Jahre alt, seine Mitstreiter wie Prof. Körten,
Eugen Rüßmann, E. Borbet, Karl Hollweg, Nikolaus Cremer oder Werner an
Haack im gleichen Alter oder jünger. Hoffen wir, dass sich auch heute
wieder mehr jüngere Mitbürger für unsere Vereinsarbeit interessieren.
"Herr Bürgerverein" hört sich doch gar nicht schlecht an, wenn es
Engagement für andere ausdrückt, und „Entschuldigen Sie Herr
Bürgerverein" erst recht nicht, wenn die Verwaltung einmal Fehler
eingesteht!
Elmar Schneehorst
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