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Schadstoffgrenzwerte und Staus -
ÖPNV und Seilbahn in Wuppertal

27. 4. 2017

Beitrag zum Forum Von Univ.-Prof. Dr.-Ing. J.Fiedler

Immer häufiger rückt die unerträgliche Schadstoffbelastung in europäischen Großstädten in den Mittelpunkt verkehrlicher Abhilfemaßnahmen.

In Paris hat man Anfang Dezember 2016 autofreie Tage eingeführt. London will ab Oktober 2017 Kraftfahrern für die Fahrt in die Innenstadt zehn Pfund (11,80 Euro) abknöpfen, wenn ihre Fahrzeuge die EU-Abgasvorschriften nicht einhalten. Im Gespräch sind auch Fahrverbote entsprechend dem Tagesdatum in Übereinstimmung mit den Fahrzeug-Kennzeichen.

In Deutschland soll von Fahrbeschränkungen möglichst Abstand genommen werden. Stattdessen appelliert die Politik an die Vernunft der Autofahrer und plädiert für eine gesteigerte Bus- und Bahnbenutzung. Jüngst nachzulesen in der WZ vom 15.04.17 unter dem Thema "Wahlprüfstein: Verkehr". Parteiübergreifend werden darin als zwingende Voraussetzung "Verbesserung des ÖPNV" verlangt.

Aber wie steht es damit in Wuppertal?

In der WZ vom 04.04.17 auf Seite 13 war zu lesen, dass sich die WSW gezwungen sähen, das ÖPNV-Angebot deutlich zurückzufahren … "denn die Seilbahn sei allein Sache der WSW" … so der Stadtkämmerer Johannes Slawig im Fernsehen am 12.04.17. Also muss eben beim öffentlichen Linienverkehr doch gespart werden, entgegen früherer Beteuerungen, zu Lasten der Fahrgäste!

Im Einzelnen sind zu beklagen:

  1. Ausdünnung aller Buslinien von einem 20- auf einen 30-Minuten-Takt (minus 33%), an Sonn- / Feiertagen sogar auf 60-Minuten (minus 50%). Das werden auch die Fahrgäste entlang der Cronenberger Straße, Jägerhof-/Augustastraße und Ravensberger Straße bitter zu spüren bekommen, sonntags alle älteren Kirchgänger.

  2. Wegfall der Schnellbusverbindungen CE64 und CE65 zu und von der Innenstadt. Ihre Benutzer müssen künftig am Schulzentrum-Süd in die Seilbahn umsteigen, obgleich das länger dauert als die heutigen Direktfahrten … ohne die Unbequemlichkeit und den zusätzlichen Zeitbedarf fürs Umsteigen.

  3. Längere Fahrzeiten der 625 und 615, weil sie auch tagsüber über Schulzentrum-Süd bzw. die 615 über Mastweg geführt werden, denn die 635 wird auf dem Abschnitt Mastweg – Hahnerberg eingestellt.

  4. Wegfall der Linie 645 ganz. Für die sehr gut frequentierte Haltestelle an den Hochhäusern "Im Johannistal" reduzieren sich dadurch die Fahrmöglichkeiten von bisher sechs Fahrten/Stunde auf zwei Fahrten/Stunde, wenn die 615 nur im 30-Minutentakt fährt. Nach Adam Riese ist das ein Angebotsverlust von 67 Prozent!

  5. Es bleibt zu befürchten, dass die Stadtwerke schon in Kürze mit Blick auf die interne Schlüssigkeit des stadtweiten Bedienungssystems alle Linien auf 30- und 60-Minutentakt ausdünnen werden, auch dort, wo die Bewohner – weit weg - sich für das Seilbahnprojekt stark gemacht hatten.


Damit entspricht das Bussystem nicht mehr den Anforderungen einer "Großstadt", was durchaus als "imageschädigend" für Wuppertal interpretiert werden muss
.

Spätestens jetzt ist der Verkehrswert der Seilbahn zu hinterfragen, und zwar bezogen auf den War-Zustand der ÖPNV-Bedienung vor dem Döppersberg-Umbau.

Die Hauptzielpunkte der Bewohner von den Südhöhen sind Schwebebahn, City und Hauptbahnhof. Bis auf Letzteren lassen sich City und vor allem Schwebebahn per Seilbahn von der Talstation aus erst nach längeren Fußwegen, also nicht direkt und keineswegs bequem erreichen.

Das ist DER gravierende Mangel der Seilbahn!

Auch das Universitätsgelände kann die Seilbahn mit ihrer einzigen Station nur unzulänglich erschließen: Die "Zwischenstation" liegt dezentral am nördlichen Rand des Gesamtareals nahe der Mensa, d.h. ein Großteil der stark frequentierten Uni-Einrichtungen im Süden – teils gerade erst in Betrieb genommen - sind nur nach weiten Fußmärschen, noch dazu größtenteils über Treppen, zu erreichen. Weil die Uni-Express-Linie eingespart werden soll, entfallen mehrere "zielnahe" Haltestellen. Nur die 615 soll unverändert bleiben. Die 645 entfällt. Wenn das keine Verschlechterungen sind! Fraglich, ob man sie durchhalten kann?

Sollte in den kommenden Jahren die Zahl der Studierenden weiter anwachsen und neue Gebäude erforderlich sein, so können diese nur im Süden gebaut werden … fern der Zwischenstation!

Rund um die Bergstation am Schulzentrum-Süd wohnen bzw. arbeiten nur wenig Bürgerinnen und Bürger, die als ständige Seilbahnbenutzer in Betracht kämen. Die Schüler des Schulzentrums rekrutieren sich aufgrund ministerieller Vorgabe vornehmlich aus Cronenberg, Küllenhahn und Ronsdorf, und eben nicht aus Elberfeld. Die Sporthallen des Schul- und Schwimmleistungszentrums werden abends von Vereinen benutzt, deren Mitglieder mit Pkw, Fahrrad oder zu Fuß anreisen. Wer möchte schon abends allein unterwegs in eine leere Kabine einsteigen, wenn in letzter Sekunde eine zweifelhafte Gestalt "zuspringen" kann und man sich während der Fahrt bedroht fühlt?

Die WSW setzen auf "Fahrgäste" aus Cronenberg, Küllenhahn, Remscheid und Solingen, die die Seilbahn als "Platzfüller" dringend braucht. Jedes Umsteigen bewirkt aber per se fallende Fahrgastzahlen, besonders dann, wenn das Umsteigen über eine Höhendifferenz von bis zum 15 m erfolgen muss! Nur Herr Jäger (WSW) sieht im Umsteigen sogar eine Bedienungsverbesserung!

Dann wären da noch die – prognostiziert – "vielen P+R-Teilnehmer von außerhalb", die über die L 416 kommen und ihr Reiseziel die Elberfelder Innenstadt per Seilbahn erreichen sollen? Die bereits genannt langen Fußwege zwischen Talstation und Innenstadt, aber auch Parkgebühren im geplanten Parkhaus an der Bergstation sind unter dem Strich wenig P+R-förderlich.

Als touristisches Highlight kann die Wuppertaler Seilbahn wohl kaum propagiert werden. Dazu fehlen in der Nähe der Bergstation Besuchsmagnete und der kulinarische Anziehungspunkt, der zugunsten von Wohnbebauung gerade dem Erdboden gleichgemacht worden ist.

Zum ÖPNV-Gesamtsystem vermag die Seilbahn deshalb keinen befriedigenden Beitrag zu leisten, ihre Kollateralfolgen jedoch sind alarmierend.


Zudem droht in Wuppertal eine "politische Wahrnehmungskonkurrenz" zwischen ÖPNV, Radverkehr und Seilbahn zu entstehen. Das ist für Bus- und Bahnfahrgäste brandgefährlich, solange die Stadtspitzen Angebotskürzungen im ÖPNV unwidersprochen hinnehmen, um das Prestige-Projekt Seilbahn finanzieren zu können, und die "Fahrradstadt" zum Hauptziel erklären. Ganz nebenbei: Wenn sogar Busspuren von Radfahrern mitbenutzt werden dürfen, widerspricht das dem Ursprungsgedanken der Sonderstreifen, die öffentlichen Verkehrsmittel im Hinblick auf ihre Pünktlichkeit von jeglichen Einflüssen des Individualverkehrs zu befreien.

Bliebe zum Schluss, auf das nachahmenswerte "Beispiel Stuttgart" einzugehen:

Die Kessellage führt je nach Witterung und Windrichtung immer häufiger zu einer sehr hohen Feinstaubbelastung. Dementsprechend musste die Stadt seit dem 01.01.2016 wiederholt Feinstoffalarme auslösen und die Kraftfahrer zum Autoverzicht aufrufen … mit durchaus gutem Erfolg.

Der Verkehrs- und Tarifverbund Stuttgart mit seinen beiden Großunternehmen Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB) und Deutsche Bahn ließ an diesen Tagen erwachsene Barzahler (auch Streifenkarten-Benutzer) zum Kindertarif mitfahren. Die Resonanz war so riesig, dass das Fahrtenangebot verdichtet werden musste. Nun ist sogar die Ausweitung des Fahrzeugparks im Gespräch, hofft man doch, manche Autofetischisten auf Dauer zur gelegentlichen Bus- oder Bahnbenutzung motivieren zu können.

Diese Erkenntnis sollte allen ÖPNV-Verantwortlichen Mut machen:

Wenn den Verkehrsteilnehmern eine Notsituation überzeugend dargelegt wird, sind sie offenbar bereit, sich vernünftiger zu verhalten, als es ihnen weithin zugetraut wird.

Spätestens dann kommt die Finanzierung ins Spiel, denn die Verkehrsunternehmen können die Mehrkosten von Angebotsverbesserungen – einschließlich der Anschaffung zusätzlicher Fahrzeuge – aus dem Fahrscheinverkauf nicht allein schultern.

Wenn aber der ÖPNV – überall politisch propagiert - schadstoffentlastend tätig werden soll, wird dafür deutlich mehr Geld benötigt! Diese Mittel sind in den Haushalten von Bund, Ländern und Kommunen in ausreichender Höhe einzuplanen, kurzfristig und nicht erst zum Sankt-Nimmerleins-Tag!

Fahrplanausdünnungen, Linienstilllegungen
und vermehrter Zwang zum Umsteigen
sind im Hinblick auf Schadstoffproblematik und Stauminderung nicht zielführend.

Einerseits müssen Fahrgastbelange wieder Vorrang gegenüber betriebswirtschaftlichen Zielvorgaben erhalten. Andererseits sind Projekte, die ganz offensichtlich zuvorderst den "Selbstdarstellungsgelüsten" der Verantwortlichen in Politik und Gesellschaft dienen, nicht länger zu verantworten.

Übrigens wurde auf dem ersten Hearing am 19.05.2015 begeistert von "einem zweiten "Leuchtturm mit Ausstrahlungskraft" gesprochen, was ein "Imagegewinn" für die Stadt sei. Die Fragen nach den konkreten Erwartungen bezüglich positiver Auswirkungen auf Stadt- und Wirtschaftsentwicklung blieben unbeantwortet. Anlässlich des WZ-Forums am 07.04.17 schwärmte der Stadtwerke-Chef, Andreas Feicht, erneut vom "Leuchtturmprojekt Seilbahn", ohne sich zu "seinen" drastischen Kürzungen im Busverkehr zu äußern. Nachzutragen wäre noch das Jahr der angepeilten Inbetriebnahme lt. WSW: 2024.

Gerade in letzter Zeit fordern Leserbriefe, Haushaltsmittel nicht in weitere Seilbahn-Untersuchungen zu stecken, sondern lieber in die Reparatur von Straßen und Schulgebäude oder in soziale Einrichtung wie beispielsweise "Die Alte Feuerwache" in Elberfeld.

Auch darüber sollte der Stadtrat, wenn er sich mit der Seilbahn befasst, befinden.