Univ.-Prof. em. Dr.-Ing. Joachim Fiedler
                                                                                      42349 Wuppertal
                    ehemals Lehrstuhl                                                    Wilhelmring 90
          Öffentliche Verkehrs- und Transportsysteme,
               an der Bergischen Universität                                          prof.fiedler@gmx.de
              Berater für Mobilitätsmanagement


                                                                                          27.01.2019
Sehr geehrte Damen und Herren!

Der Westdeutschen Zeitung vom 15.01.19 wurde von den WSW das bestätigt, was ich schon früher
vermutet und mehrfach kritisiert habe: Zur Finanzierung der Seilbahn (Hbf. - Uni-Mensa -Schulzentrum-
Süd) weist der Stadtdirektor „auf die „Notwendigkeit hin, den parallel verlaufenden Busverkehr abzubau-
en, um 1,9 Millionen Euro an Seilbahn-Betriebskosten auszugleichen.“

Dem ist entgegenzuhalten:
1. Aus Sicht der Fahrgäste gibt es keine „parallel verlaufende Buslinien“ zur Seilbahn, weil nicht der
   Linienweg, sondern die von beiden Systemen gleich gut bedienten Haltestellen maßgebend sind.
   Der Hinweis des Stadtdirektors dokumentiert eine erschreckende Unkenntnis.
2.   Der verkehrliche Nutzen der Seilbahn ist wegen der dezentralen Lage der Zwischenstation am Uni-
     Campus und der geringen Bebauungsdichte im Einzugsgebiet der Bergstation unbedeutend.
3.   Werden Buslinien aus Cronenberg, Remscheid und Solingen über den Busbahnhof am Schulzent-
     rum-Süd umgeleitet, um dort die Fahrgäste zum Umsteigen in die Seilbahn zu zwingen, verlängern
     sich deren Reisezeiten und die Zunahme der Unbequemlichkeit jeglicher gebrochener Verkehre.
     Beides zieht erfahrungsgemäß nennenswerte Einbrüche des Fahrgastaufkommens nach sich.
4.   Welchen Wert haben kurze Kabinenfolgeabstände, wenn man an den Umsteigestationen zuneh-
     mend länger auf Anschlussbusse warten muss, weil deren Takte ausgedünnt worden sind?


Ein Blick in frühere Fahrplanbücher zeigt, dass schon weit vor dem Fahrplanwechsel am 25.11.2018
bereits in anderen Stadtbereichen empfindliche Angebotskürzungen vorgenommen worden sind. Er-
staunlicherweise stets ohne großen Widerspruch. Selbst umweltorientierte Institute schweigen. Das wie-
derum wird die Stadtwerke ermutigen, demnächst noch weitere Abstriche vorzunehmen!

Es ist also höchste Zeit, dass alle Institutionen, die sich den Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger,
verpflichtet fühlen, dagegen Sturm laufen. Sonst dreht sich die Spirale „weniger Fahrten – weniger
Fahrgäste – noch weniger Fahrten – noch weniger Fahrgäste – Linieneinstellung“ immer weiter.

Soll Wuppertal hinsichtlich des Öffentlichen Verkehrsangebotes wirklich zu einer Provinzstadt degenerie-
ren, während das Stadtmarketing krampfhaft bemüht ist, die Stadt als attraktive für Unternehmen aller
Art … und den Familien der Beschäftigten „anzupreisen“? Solche – noch dazu mit heranwachsenden
Kindern - werden auf einen guten ÖPNV besonders achten, um nicht ständig als „Familientaxi“ zu fun-
gieren!


Und wie steht die Stadtspitze zu der neuen Zielrichtung in Verkehrs- und Stadtplanung:
Landauf und landab werden die Menschen aufgefordert, den ÖPNV häufiger anstelle des eigenen Autos
zu benutzen, um einen Beitrag zur Reduzierung unendlich vieler Staus und der damit einhergehender
Schadstoff- und Lärmbelästigungen zu leisten!
                        Dazu ist das Bus- und Bahn-Angebot zu verbessern
                        und darf unter keinen Umständen abgebaut werden.

Alle Mitbürgerinnen und Mitbürger, die auf Busse angewiesen sind oder umweltschonend umsteigen
wollen, sind betroffen, viel mehr als die Minderheit potentieller Seilbahnbenutzer. Vor allem aber auch
Berufstätige, die in den Verkehrspitzenzeiten lange Fahrzeugschlangen verursachen und zudem in Fir-
mennähe viel Parkfläche benötigen. Die ersten Betriebsräte – so ist zu hören – haben sich gegen Fahr-
planausdünnungen formiert. Doch auch die Chefetagen der Arbeitgeber sind gefragt. Und dann noch die
Industrie- und Handelskammer, anstatt – reichlich ideenarm - für die Erhöhung der zulässigen Schad-
stoffgrenzwerte zu plädieren!


Wünschenswert wäre, wenn alle Verantwortlichen, aber auch Einzelne – gemeinsam oder getrennt -
protestieren würden, denn warum sollen viele ÖPNV-Kunden zugunsten einer vergleichsweise kleinen
Seilbahn-Benutzergruppe „leiden“, und zwar den ganzen Tag über!
                            WSW und Stadt müssen ihre Prioritäten überdenken:

      Zeit und Mittel für Gefälligkeitsgutachten über „zweifelhafte Projekte in spe“ investieren oder
      in Planung und Umsetzung eines stadtweit verbesserten ÖPNV für Gegenwart und Zukunft?

Bisher fehlt es leider an konkreten Angaben zum realen Nutzen von Hängebrücke und zwei (!) Seilbah-
nen. Kein Wunder, dass nicht nur Südhang-Bewohner mehrheitlich hinter der These „Imagegewinn der
Stadt“ eher „politische Selbstdarstellung“ und die Verschleierung unübersehbarer Missstände vermuten.
In weniger betroffenen Stadtteilen sieht man das wahrscheinlich unkritischer, weswegen die Stadtspitze
dafür plädiert, auch sie über Pro und Contra einer Seilbahn zu Uni und zum Rigi Kulm mit abstimmen zu
lassen. Ihre These „Unsere Väter haben die Schwebebahn gebaut – wir bauen eine Seilbahn“!
Einwände gegen eine weitere finanzielle Belastung zählen nichts, denn es kann doch mit hohen Landes-
/ Bundesförderungsanteilen gerechnet werden, so dass der städtische Haushalt weitgehend ungescho-
ren bliebe … bis auf schlappe 1,9 Millionen Euro an Seilbahn-Betriebskosten, die sich aber lt. Stadtdirek-
tor „über Kürzungen im Busverkehr ausgleichen“ lassen …Jahr für Jahr!
Höchstwahrscheinlich demnächst auch in Beyenburg, Vohwinkel und Langerfeld.


Zur den Seilbahnen hätten nüchterne Betrachter gerne noch drei offene Fragen beantwortet:
-   Welche kurzfristigen Ersatzbeförderungsmöglichkeiten sehen die WSW vor, wenn witterungsbedingt
    oder bei technischen Störungen der Betrieb über längere Zeitspannen eingestellt werden muss?
-   Wie wird das subjektive Sicherheitsgefühl der Benutzer vornehmlich in den Schwachlastzeiten ein-
    geschätzt und fördern Ängste (trotz Videoüberwachung und Notfallknopf) möglicherweise nicht die
    Bevorzugung des eigenen Pkw als Rechtfertigung … leider dann alsbald zu allen Tageszeiten?
-   Werden wie anfangs versprochen auf den Stationen ständig „Aufseher“ präsent sein, um ggf. hel-
    fend einspringen zu können? Das wären für die drei Stationen der Uni-Seilbahn insgesamt für einen
    Zweischichtbetrieb (incl. Urlaubs- und Krankheitsvertreter) 32 Personale!


Die komplexen Zusammenhänge habe ich schon im August 2015 zu Papier gebracht und damals den
WSW, dem OB, dem Verkehrsausschuss und allen Fraktionen zugeschickt … von einer Ausnahme ab-
gesehen ohne Reaktion. Mit geringfügigen Abstrichen ist der Text noch immer aktuell und kann Interes-
senten auf Wunsch zugemailt werden.


Mit freundlichen Grüßen
Prof. Dr. Joachim Fiedler

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Sehr geehrte Damen und Herren!

Um nicht auf die Publikationsbereitschaft der Printmedien angewiesen zu sein, wähle ich diesen etwas
ungewöhnlichen Weg, mich an Ihren Interessentenkreis zu wenden.
Die Weitergabe der E-Mail ist durchaus erwünscht, wohl wissend, dass ich mich bei entsprechend gro-
ßer Anzahl von Reaktionen nur begrenzt rückäußern kann.
Der Brief soll der Aufforderung des Alt-Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker folgen: „Jeder ist für
das verantwortlich, was er selbst tut, und mitverantwortlich, was er geschehen lässt.“

Viele Grüße
Univ.- Prof. Dr.- Ing. Joachim Fiedler